Wie nachhaltig ist Insektenprotein?

Nicht wenige bezeichnen Insekten als Superfood. Zurecht, denn die Nährstoffbilanz ist herausragend. Nicht nur besser als die von Fleisch, sondern auch besser als bei den meisten pflanzlichen Proteinquellen. Gut für uns, aber auch für den Planeten? Wie nachhaltig ist Insektenprotein? Genau das sehen wir uns im Folgenden an.

Autor:  Bastian
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Emissionen

Glaubt man einer Studie der niederländischen Forscherinnen De Vries und De Boer aus dem Jahre 2010, verursacht die konventionelle Erzeugung von einem Kilogramm Rindfleisch bis zu 32 Kilogramm, je Kilogramm Rinderprotein sogar rund 150 Kilogramm CO2-Äquivalente. Insekten schneiden hier deutlich besser ab. Bei der Zucht von Mehlwürmern beispielsweise entstehen nur rund ein Zehntel dieser Emissionen.

Emissionen durch Futtermittelerzeugung

Die Futtermittelherstellung ist einer der größten Emissionstreiber im Bereich der konventionellen Nutztierhaltung. Da wäre beispielsweise der Ausstoß von Distickstoffoxid, also Lachgas, einem Treibhausgas, das laut Umweltbundesamt um den Faktor 300 klimaschädlicher ist, als CO2. Für 79 Prozent der Lachgasemissionen ist in Deutschland die Landwirtschaft verantwortlich. Unter anderem durch die Ausbringung organischer Düngemittel, also Gülle.

Auch der Transport der Futtermittel belastet das Klima. In der Nutztierhaltung werden deutschlandweit jedes Jahr rund 4,5 Millionen Tonnen Sojaschrot verfüttert. Sojaschrot stammt häufig aus Südamerika und legt somit von der Plantage bis zum Futtertrog rund 12.000 Kilometer zurück. Je Tonne Sojaschrot entstehen so 0,567 Tonnen CO2 – Äquivalent. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland jährlich rund 4,5 Millionen Tonnen Sojaschrot verfüttert werden, entstehen so bis zu 2,5 Millionen Tonnen CO2.  

Dank ihrer sehr hohen Futterverwertungseffizienz fällt der Futterbedarf von Insekten im Vergleich zu herkömmlichen tierischen Eiweißquellen deutlich geringer aus. Ein Beispiel: Um ein Kilogramm Protein aus Buffalowürmer zu gewinnen, ist 12 Mal weniger Futter erforderlich, als für ein Kilogramm Protein aus Rindfleisch. Weniger Futter, weniger Düngemittel, weniger Futtermitteltransporte, weniger Emissionen.

Hinzu kommt, dass Futtermittel für Insekten mitunter gar nicht explizit zum Zwecke der Verfütterung angebaut werden müssen. Zumindest ein Teil des Insektenfutters besteht aus Nebenprodukten der menschlichen Lebensmittelherstellung. Die weltweit größte Insektenfarm in den Niederlanden beispielsweise verwendet Beiprodukte der anliegenden Brauereien. Und auch Lebensmittel, die es nicht mehr in die Supermarktregale schaffen, eignen sich als Futter für die Insektenzucht. Auch dieser Umstand wirkt sich positiv auf den ökologischen Fußabdruck von Insektenprotein aus.

 

Emissionen der Tiere

Beim Menschen verpönt, bei Rindern fatal. Jede Kuh stößt durch Pupsen und Rülpsen jährlich im Schnitt etwa 100 Kilogramm Methan aus. Das macht die Landwirtschaft zu einem der Haupt-Emissionsherde von Methan. 63 Prozent der 2020 in Deutschland freigesetzten 2,8 Millionen Tonnen gehen laut Umweltbundesamt auf den Ausstoß von Nutztieren sowie die Ausbringung von Mist und Gülle zurück. Das Problem mit Methan: Auf einen Zeitraum von 20 Jahren hat Methan eine 86 Mal höhere Klimawirkung als CO2!

Der große Vorteil der Insektenzucht: Insekten pupsen nicht. Auch in diesem Punkt ist die Insektenzucht der Rinderzucht deutlich überlegen.

Emissionen durch Transport

Dass die Insektenzucht deutlich weniger Futter benötigt und somit nur ein Bruchteil der Emissionen beim Transport dieser Futtermittel entsteht, haben wir bereits geklärt. Ebenso wie die Tatsache, dass ein Teil der Futtermittel oft direkt aus Nebenprodukten nahegelegener Lebensmittelproduktionen besteht. Weniger importiertes Futter, weniger Futter insgesamt – um ein Vielfaches bessere Klimabilanz.

Hinzu kommt, dass sich eine Insektenzucht mehr oder weniger standortunabhängig betreiben lässt. Das heißt, es kann dort produziert werden, wo auch der Konsum stattfindet. So lassen sich Emissionen, die im Bereich der konventionellen Fleischerzeugung durch Tiertransporte sowie den Transport von Fleischprodukten entstehen, auf ein notwendiges Minimum reduzieren.

Futterverbrauch

Stell dir vor, Du möchtest Dein Geld gewinnbringend anlegen. Du erstehst ein Wertpapier, hältst es eine Zeit lang und verkaufst es anschließend wieder. Du bekommst wesentlich weniger zurück, als du damals gezahlt hast. Ein gutes Investment? Wohl eher nicht. In etwa das gleiche machen wir aber mit Futtermitteln in der Nutztierhaltung.

Futterverwertungseffizienz

Insekten sind Kaltblüter. Kaltblüter benötigen im Vergleich zu Warmblütern deutlich weniger Energie, um die lebenserhaltenden Funktionen des Körpers aufrecht zu erhalten. Das bedeutet: Aus der gleichen Menge an Nahrung können Insekten wesentlich mehr Energie in den Aufbau von Körpermasse stecken als Warmblüter. Während Rinder, Hühner und Schweine für die Erzeugung eines Kilogramms Körpermasse rund 6 Kilogramm Nahrung benötigen, reichen Insekten dafür bereits 2 Kilogramm. Hinzu kommt, dass der Anteil der Körpermasse, den der Mensch zur Lebensmittelherstellung verwenden kann, bei Insekten deutlich höher liegt. Bei Rindern beispielsweise beträgt dieser Anteil nur rund 40 Prozent.

 

Um also 1 Kilogramm verwertbare Körpermasse herzustellen, müssen bei einem Rind rund 25 Kilogramm Futter aufgewendet werden. Bei Grillen liegt der Anteil bei rund 80 Prozent, also in etwa doppelt so hoch. Der Futtermitteleinsatz für ein Kilogramm verwertbare Körpermasse liegt bei Grillen bei etwa 2,2 Kilogramm Futter. Damit bringen es Grillen auf eine um den Faktor 10 bessere Futterverwertungseffizienz als Rinder.

Konkurrenz zu menschlichen Lebensmitteln

Was essen wir heute? Diese Frage, die wir uns ob der Angebotsvielfalt gegen Abend hin gerne stellen, hat laut Welthungerhilfe für 811 Millionen Menschen weltweit (Stand Ende 2020) eine ganz andere Bedeutung. Denn sie leiden unter chronischem Hunger und wissen nicht, woher ihre nächste Mahlzeit kommen soll.

Vor diesem Hintergrund geht mit der konventionellen Fleischerzeugung nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein moralisches Problem einher. Denn während wir - wie oben erwähnt - 25 Kilogramm Futter, darunter auch für den Menschen Genießbares, in ein Rind „stopfen“, um lediglich ein Kilogramm verwertbare Masse zu gewinnen, verhungern andernorts Menschen.

Wie bereits erwähnt, liegt die Futterverwertungseffizienz von Grillen um den Faktor 10 höher als die von Rindern. Das heißt: Durch die Insektenzucht lassen sich 90 Prozent des Futtermitteleinsatzes einsparen. Mit dem eingesparten Pflanzenmaterial ließe sich der Welthunger drastisch eindämmen.

Wasserverbrauch

Nutztiere sind Schluckspechte. Hühner brauchen je Kilogramm Körpermasse 2300 Liter Wasser, Schweine 3500 und Rinder sogar 20.000. Gemeint ist damit nicht nur Wasser zum Trinken, sondern auch der Verbrauch bei Erzeugung, Lagerung und Transport des Futters und der Bedarf für den Aufzuchtbetrieb – eben der gesamte Wasserbedarf, der zwischen Geburt und Verzehr so anfällt. Ein Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass laut Unicef rund 2,2 Milliarden Menschen weltweit nicht regelmäßig Zugang zu sauberem Wasser und sich rund 785 Millionen Menschen nicht einmal einer Grundversorgung mit Trinkwasser erfreuen.

 

Insekten sind da wesentlich genügsamer als konventionelle Nutztiere. Je nach Quelle wird Insekten ein Wasserbedarf nachgesagt, der in etwa um den Faktor 2000 niedriger liegt als der von konventionell erzeugtem Fleisch. Diese Zahl kommt nicht von ungefähr. Anders als Rinder, Schweine und Hühner ziehen Insekten einen Großteil des Wassers aus der Nahrung, verbrauchen viel weniger Nahrung und sind zudem deutlich hitze- und damit auch dürreresistenter. Mit der Insektenzucht lassen sich also nicht nur gewaltige Mengen an zunehmend knappem Wasser einsparen – dank ihrer Dürreresistenz lassen sich Insekten auch an Orten züchten, an denen Wasser knapp ist. Jedenfalls zu knapp für die Nutztierhaltung.

Flächenbedarf

Viehzucht und Futtermittelproduktion beanspruchen sage und schreibe 70 Prozent aller weltweit verfügbaren Ackerflächen. Dieser enorme Flächenbedarf, mit dem die konventionelle Fleischerzeugung einhergeht, birgt gleich mehrere Probleme. Ökologische wie moralische.

Anbauflächen

Bedingt durch den enormen Flächenbedarf von Nutztierhaltung und Futtermittelproduktion stehen nur rund 30 Prozent der weltweiten Ackerflächen für die Erzeugung menschlicher Lebensmittel zur Verfügung. Sicher, letztendlich dient die Nutztierhaltung auch der menschlichen Nahrungsmittelversorgung. Aber: Die Verfütterung von Pflanzen zum Zwecke der Fleischerzeugung geht mit einem gewaltigen Energieverlust einher. Im Schnitt sind – je nach Fleisch-Sorte - zur Erzeugung einer tierischen Kalorie sieben pflanzliche Kalorien notwendig. Das ist extrem ineffizient. Würden sämtliche Ackerflächen ausschließlich zur Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel verwendet, so ließe sich Schätzungen zufolge der Welthunger besiegen.

 

Die Insektenzucht ist, was die Verknappung von Anbauflächen angeht, gleich in zweierlei Hinsicht überlegen. Zum einen sind Insekten wesentlich effizienter, was die Verwertung von Futter angeht. Beispiel: Für die Herstellung von einem Kilogramm Grillen müssen zwei Kilogramm Futter eingesetzt werden, für die gleiche Menge an Rindfleisch ganze 25 Kilogramm. Weniger Futter, weniger benötigte Anbauflächen, mehr Platz für menschliche Lebensmittel.

Zum anderen nimmt auch die Aufzucht von Insekten weniger Fläche in Anspruch. Während beispielsweise Rinder nicht nur Fläche im Stall, sondern auch Weidefläche benötigen, genügt zur Insektenzucht ein geschlossener Raum. Auch dadurch trägt die Insektenzucht dazu bei, Anbauflächen für menschliche Lebensmittel zu schaffen.

 

Regenwälder

40 Prozent des Sauerstoffs in der Luft verdanken wir den Regenwäldern – die grüne Lunge der Erde. Um dem Flächenbedarf, den Nutztierhaltung und Futtermittelproduktion mit sich bringen, gerecht zu werden, werden jedoch in einigen Regionen der Welt klimafreundliche Wälder wie beispielsweise der Regenwald abgeholzt. Und zwar fast ausschließlich aus diesem Grund. So schreibt etwa die Rainforest Foundation 91 Prozent der Abholzungen des Amazonas der Nutztierhaltung inklusive Futtermittelanbau zu.

Schätzungen der Naturschutzorganisation Forest Trends zufolge sollen schon jetzt 70 Prozent des Regenwaldes abgeholzt worden sein, um Platz für Anbauflächen, unter anderem für Futtermittel wie Soja, zu schaffen. Die Insektenzucht braucht nur einen Bruchteil des Futters, wodurch sich nicht nur eine weitere Abholzung der Regenwälder erübrigen würde, sondern bereits abgeholzte Flächen wieder aufgeforstet werden könnten.

Die Abholzung der Regenwälder erfolgt nicht nur zur Erschließung von Anbauflächen, sondern auch, um Weideflächen zu schaffen. Allein bis zum Jahr 2018 verschwanden im brasilianischen Teil des Amazonasgebiets rund 450.000 Quadratkilometer an Regenwald zugunsten von Weideflächen. Diese Praktiken ließen sich mit einem ganzheitlichen Umstieg auf Insektenprotein vollständig eliminieren. Keine Weidehaltung, keine Rodung zugunsten von Weideflächen.

Biodiversität

Monokulturen statt Biodiversität – das ist es, was der Futtermittelanbau insbesondere in einigen Regionen Südamerikas anrichtet. Heimische Tropenwälder weichen sukzessive Mais- und Sojapflanzen. Diese Entwicklung ist nicht nur vor dem Hintergrund des Klimawandels gefährlich, sondern auch mit Blick auf die Artenvielfalt. Denn zum einen verlieren durch die Monokulturen zahlreiche Arten ihren Lebensraum, zum anderen können sich Schädlinge, die sich von diesen Monokulturen ernähren, ungehindert verbreiten. Dank des deutlich geringeren Futterbedarfs könnte mit einer Fokussierung auf Insektenprotein auch dieser Entwicklung Einhalt geboten werden.

Fazit: Wie nachhaltig ist Insektenprotein?

Deutlich weniger Futter, deutlich weniger Wasser, deutlich weniger Flächenbedarf, Standortunabhängigkeit und infolgedessen weniger Emissionen, weniger Abholzung des Regenwaldes, mehr Biodiversität und gleichzeitig mehr Anbauflächen für pflanzliche Lebensmittel und weniger verhungernde und verdurstende Menschen. Insekten essen ist der Inbegriff von Nachhaltigkeit im Lebensmittelbereich – insbesondere im Vergleich zur Nutztierhaltung.

Einziges Manko: Zum Tragen kommen die nachhaltigen Effekte von Insektenprotein erst dann, wenn die Insektenzucht großflächig und weltweit zum Einsatz kommt. Die wohl wichtigste Hürde auf dem Weg dahin ist es, Menschen von den Vorteilen und der Notwendigkeit der Insektenzucht zu überzeugen. Erst wenn das gelingt, können Hersteller:innen die notwendigen Absätze generieren, um ihre Produktion nach oben zu skalieren. Unter anderem darin sehen wir unsere Aufgabe. Hilf uns gerne dabei und erzähle Freund:innen und Bekannten von Protein Revolution.

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